Laudatio und Nachruf

 

Eine Laudatio für Herbert Kelletat zur Verleihung des Kulturpreises der Landsmannschaft Ostpreußen für Musik konnte nicht mehr gehalten werden. Der Preis wurde im posthum zuerkannt. Der Text der Laudatio von Silke Osman bildete die Grundlage für einen längeren Artikel über ihn im Ostpreußenblatt/Preußische Allgemeine Zeitung, den wir mit Erlaubnis des Verlages hier bringen:

 

© Preu￟ische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Er schrieb Musikgeschichte
Herbert Kelletat starb im Alter von bald 100 Jahren
von Silke Osman

Sein Leben hatte er der Musik verschrieben, der geistlichen  Musik vornehmlich. So sah Herbert Kelletat die Musik auch als “Vermittlerin des Wortes, als ein der Sprache ebenbürtiges Idiom für Predigt und Verkündigung”, wie ein Mitglied der von ihm 1948 ins Leben gerufenen Evangelischen Studentenkantorei Deutschlands einmal sagte.

Geboren wurde Herbert am 13. Oktober 1907 als Sohn des Baptistenpredigers Hugo Kelletat und dessen Ehefrau Emma in Saalfeld, Kreis Mohrungen. Seine Kindheit und Jugend verlebte er im westpreußischen Graudenz, in Liebstadt und in Bromberg. In Halle nahm er 1926 das Studium der Germanistik, Anglistik und Musikwissenschaft auf. 1930 ging Herbert Kelletat nach Königsberg, um an der dortigen Albertina sein musikwissenschaftliches Studium bei Joseph Müller-Blattau fortzusetzen. Darüber hinaus ließ er sich von Adolf Weber in der Kunst des Orgelspiels unterweisen.

1933 wurde Herbert Kelletat zum Dr. phil. promoviert. In seiner Dissertation befaßte er sich mit der Geschichte der deutschen Orgelmusik in der Frühklassik. Kelletat wurde Assistent bei Joseph Müller-Blattau, unterrichtete Musiktheorie und spielte bei Festakten der Universität auf der Orgel. Er leitete den Hochschulchor im Akademischen Gottestdienst in der Königsberger Schloßkirche und gab ab 1934 auch noch Unterricht in den Fächern Orgel, Orgelbau, Chorleitung und Musikgeschichte. Schließlich wurde ihm die Leitung der Abteilung Kirchenmusik am Hochschulinstitut für Musikerziehung und Kirchenmusik übertragen.

Kelletat ruhte sich jedoch nicht auf diesen Lorbeeren aus, er wollte sich in Orgelspiel und Improvisation weiterbilden und ging nach Berlin, wo er bei Gerhard Schwarz, Herbert Schultze und Ernst Pepping studierte. 1935 zog es ihn in die Schweiz, wo Kelletat in Winterthur bei Karl Matthaei weitere Orgelstudien betrieb. Zuvor hatte er 1934 die Altistin Margarete Nominikat geheiratet. Der Ehe entstammen drei Kinder, die Töchter Renate und Erdmute sowie der Sohn Hans-Joachim. Gemeinsam mit seiner Frau und Joseph Müller-Blattau gab Kelletat in Königsberg auch Kurse zur musikalischen Laienschulung. Seine Musikkritiken in der “Preußischen Zeitung” wurden gern gelesen, und mit seiner Tätigkeit als Kantor und Organist an der Altstädtischen Kirche erreichte er ein größeres Publikum.

1944 habilitierte Herbert Kelletat sich mit seiner “Geschichte der Orgel in Ost- und Westpreußen”, der Professorentitel wurde ihm verliehen. Doch konnte er seine Lehrtätigkeit in Ostpreußen nicht mehr ausüben. Auch Kelletat mußte fliehen. Er gelangte nach Mecklenburg und war 1946 an der Gründung der Musikhochschule in Rostock beteiligt. Im selben Jahr aber floh er nach Berlin, wo er an der Hochschule für Musik unterrichtete. Von 1948 bis 1951 war er zunächst als Kantor und Organist im westfälischen Soest zu finden, doch zog es ihn wieder nach Berlin, wo er von 1951 bis 1956 an der Hochschule für Musik Liturgisches Singen, Choralsingen und Liturgisches Orgelspiel unterrichtete.

Als Organist und Kantor wirkte Kelletat von 1951 bis zu seinem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst 1972 an der Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin-Wilmersdorf. 1952 wurde er darüber hinaus zum Landeskirchenmusikwart Berlin ernannt. Als seine Frau Margarete, die ihn stets mit aller Kraft unterstützt hatte, 1980 starb, siedelte er ein Jahr später nach Bad Salzuflen über. Dort heiratete er Hedwig Bülow. 2002 schließlich zog er nach Flensburg, wo er im Gotthard-und-Anna-Hansen-Stift lebte. Doch auch dort konnte er von seiner Musik nicht lassen: Herbert Kelletat gab seinen Mitbewohnern kleine Konzerte und improvisierte täglich auf seiner elektronischen Orgel. 2005 kamen seine Lebenserinnerungen unter dem Titel “Mein Weg zur Musica Sacra” heraus.

Herbert Kelletat, der über acht Jahrzehnte aktiv Orgel gespielt hat, erwähnt in seinen Erinnerungen rund 40 Orgeln, auf denen er seine Kunstfertigkeit bewiesen hat, darunter waren nicht nur die herrlichen Instrumente seiner Heimat wie die Orgeln des Königsberger Doms und der Schloßkirche, sondern auch solche in der Londoner Westminster Cathedral oder in der Pariser Sacré Coeur und in Notre Dame. Mit seinen Veröffentlichungen zu den Grundlagen der Orgeltechnik und zur Improvisationslehre sowie zur musikalischen Temperatur hat er Musikgeschichte geschrieben. Neben der wissenschaftlichen Arbeit aber lag es Herbert Kelletat vor allem auch am Herzen, sein Wissen und seine Begeisterung an Laien weiterzugeben. So bewirkte er mit der Gründung der Evangelischen Studentenkantorei Deutschlands (1948) und mit den Altenaer Singwochen (1946-1972) sowie der Berliner Kantorei (1953), daß Menschen der Musik besonders nahe kamen, daß sie das Rüstzeug erhielten, um ihre Begeisterung und ihr Wissen an andere weiterzugeben. “Viele hunderte Menschen hat er zum Singen angestiftet und angeleitet, zu einem Singen, das sein Ziel nicht hat im Vorzeigen schöner Stimmen, sondern im Bekennen, in der Formung der Herzen, im Erwachen zur Gegenwart des lebendigen Schöpfergeistes”, betonte Donata Dörfel, seine älteste Enkelin in ihrer Ansprache zur Trauerfeier in Flensburg.

Am 25. Mai hat Herbert Kelletat für immer seine Augen geschlossen. “Sehr friedlich, geradezu preußisch-aufrecht, nachdem er sich morgens für einen weiteren Schaffenstag angekleidet hatte, sitzend, sozusagen bei Arbeitsbeginn”, schildert Tochter Renate den Heimgang ihres Vaters, der mit seinem unermüdlichen Schaffen Vorbild für nachfolgende Generationen sein dürfte.